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Etappe 7: Søre Biseggvatnet - Majavatn
Pausentag. Die Berge verstecken sich hinter dicken Wolken, ein Schauer jagd den nächsten. Dummerweise macht mein niegelnagelneuer MP3-Player plötzlich schlapp. Auf ihn hatte ich einige Hörbücher, viel Musik und interessante Beiträge gespielt und dafür auf das Mitschleppen schwerer Bücher verzichtet. Zeitgleich gibt auch mein Kugelschreiber seinen Geist auf und so entfallen meine Tagebucheinträge. Ich übe mich in Meditation, lausche dem Fallen der Regentropfen auf das Zeltdach, laufe in voller Regenbekleidung ein wenig umher. Am nächsten Tag werde ich am frühen Morgen unsanft aus dem Schlaf gerissen. Sturmböen rütteln kräftig an der Zeltwand. Heftige Regenschauer ziehen in regelmäßigen Abständen über meine dünne Behausung hinweg, in der mich mehr und mehr ein unbehagliches Gefühl überkommt. Vorsichtshalber stütze ich das Seitengestänge mit den Wanderstöcken ab und bekomme so etwas mehr Stabilität in meine vier Wände. Am späten Vormittag flaut der Wind ein wenig ab. So recht mag aber keine Erleicherung aufkommen. Der Regen fällt weiter in unverminderter Stärke, das Barometer setzt zum Sturzflug an. Kurz nach Mittag frischt der Wind wieder auf. Böenartig zerrt er an den Zeltwänden. Ich drücke dagegen. Der Himmel öffnet seine Schleusen und ergießt sintflutartige Sturzbäche. Das Heulen des Windes, das Flattern der Zeltwände und das Trommel des Regens sorgt für eine gruselige Atmosphäre. Der Boden kann den Regen nicht mehr aufnehmen und es bilden sich zunehmend Pfützen vor dem Zelteingang. Scharfe Windspitzen peitschen das Naß ins Zeltinnere. Mit meinen Schuhen und einigen Ausrüstungsgegenständen baue ich eine Windbarriere. Das hilft. Zumindest bleibe ich vorerst trocken. Endlich gegen zwei Uhr nachmittags steigt der Luftdruck langsam an. Ich schöpfe Hoffnung. Doch zu früh! Zwei Stunden später legt der Sturm noch einen Gang zu. Wie ein wildes Tier gebährt er sich. Absolute Stille, dann eine leichte Briese und plötzlich wie ein heftiger Schlag die Sturmspitze. Unberechenbar aus wechselnden Richtungen. Begleitet von Starkregen, der wie verrückt aufs Zeltdach trommelt. Die Heringe der Apsiden werden aus dem durchweichten Boden gerissen. Das dem Sturm zugewandte Zeltgestänge hat sich an einer Stelle merkwürdig verformt. Hastig bringe ich eine Reperaturhülse zur Stabilisierung an. Der Zeltboden schaukelt wie ein Wasserbett. Nach einer Serie unsäglicher Böen ist klar, dass ich dringend von hier verschwinden muss. Als Fluchtpunkt kommt nur die gut 12 Kilometer entfernte Jengelhytta in Frage. Im Notraum der Hütte wäre ich vor dem Unwetter sicher. Das müsste bis zur anbrechenden Dunkelheit zu schaffen sein. Den Gedanken an die Durchquerung des Biseggelva schiebe ich einstweilen beiseite. Sicherlich ist der Fluss in Folge der starken Regenfälle stark angeschwollen. Hastig packe ich meine Ausrüstung zusammen und wage mich ins Freie. Was für eine unheimliche Stimmung! Am nahen Seeufer brechen sich hüfthohe Wellen, der Sturm peitscht die Gischt weit ins Landesinnere. Der Abbau des Zelts muss schnell über die Bühne gehen. Schon zieht der Sturm die Heringe aus dem Boden. Jeder Handgriff muss sitzen. Ich versuche konzentriert und ruhig zu bleiben. Das Außenzelt ist rasch abgebaut. Doch dann reißt eine heftige Böe das Innenzelt mit einem Ruck samt Heringe aus dem Boden. Instinktiv bekomme ich meine davonfliegende Behausung mit einer Hand zu fassen. Ansonsten wäre sie auf Nimmerwiedersehen in den Fluten des Sees verschwunden. Eine Horrorvorstellung. Das klatschnasse Zelt in den Rucksack gestopft breche ich auf.   Alle paar Meter versperrt ein Bach den Weg, zwingt mich zu kleinen Umwegen. Vornüber gebeugt stemme ich mich gegen den Sturm. Irgendwie muss ich über den Biseggelva kommen. Nur wo? Am südlichen Seeufer ist die Querung zu riskant. Der Boden ist im trüben Wasser nicht erkennbar. Kaum 50 Meter weiter stürzen die Fluten kaskdenförmig ins Tal. Nicht auszudenken hier in eine Untiefe zu stürzen und abgetrieben zu werden. Weiter talabwärts soll sich das Flussbett laut Karte verbreitern. Hier sehe ich meine einzige Chance zu einer Querung. An besagter Stelle sind es etwa 50 Meter bis ans andere Ufer und eine kleine Insel bietet Gelegenheit für einen Zwischenstop. Also Hose und Schuhe ausgezogen, in den Rucksack gestopft und in die Sandalen geschlüpft. Schon nach wenigen Schritten reicht mir das rasch dahinströmende eiskalte Wasser bis über die Knie. Doch es geht alles gut und ich schaffe die ersten 20 Meter bis zur Insel. Jetzt folgt die Schlüsselstelle. Die Tiefe der Fluten kann ich vom Ufer her unmöglich abschätzen. Zu breit ist der Fluss, zu trüb das Wasser. Notfalls muss ich umkehren. Und dann? Das Flussbett ist rutschig und mit fussballgroßen kippeligen Felsen übersät. Mächtig zieht der Strom an meinen Füssen, versucht mich aus dem Gleichgeiwcht zu bringen. Nur mit Hilfe der Trekkingstöcke finde ich einigermaßen Halt. An einigen Stellen reicht mir das Wasser handbreit übers Knie. Absolutes Maximum. Dann, noch ein paar Schritte und ich stehe sicher am anderen Ufer. Ich brauche einige Augenblicke um mein Glück zu fassen und atme tief erleichert auf. Die restliche Strecke bis zur Hütte ist im Vergleich ein Kinderspiel. Zwar nass bis auf die Knochen, doch wohbehalten und ohne weitere Zwischenfälle erreiche ich mit einbrechender Dunkelheit die sichere Behausung am Jengelvatnet. Durch die Gardinen scheint Licht und als ich den Vorraum betrete, empfangen mich die beiden Bewohner und drei schöne Huskies. Begeisterung mag bei ihnen infolge meines unerwarteten Besuchs zwar nicht aufkommen, doch ich werde freundlich aufgenommen und darf sogar ein Bett im Nebenraum für mich in Beschlag nehmen. Meine durchweichten Sachen hänge ich ich schlechten Gewissens doch mit ausdrücklicher Zustimmung verteilt über die gesamte Hütte zum Trocknen auf. Die beiden betreiben eine Huskyfarm und wollen die nächsten Tage in der näheren Umgebung zum Angeln gehen. Aus dem Radio dudelt ohne Unterlaß Countrymusik der 50er Jahre. Der Gesprächsstoff geht rasch aus und ich ziehe mich nach einem kräftigen Abendessen in mein Zimmer zurück. Über Nacht legt sich der Sturm und am nächsten Morgen zeigt sich gelegentlich schon wieder die Sonne. Wie ein böser Traum kommt mir da der gestrige Tag vor. Froh über das trockene Quartier, möchte ich die Gastfreundschaft der der beiden aber nicht überstrapazieren und breche deshalb gleich nach dem Frühstück auf. Zurück geht es über gewohnte Wege Richtung Majavatn. Am Storelva verbringe ich noch eine ruhige Nacht. Der Wetterumschwung hat die sommerlichen Temperaturen verdrängt und das Thermometer bleibt tagsüber deutlich unter 10 Grad. Ein Hauch von winterlicher Frische liegt in der Luft. An den Ufern des Flusses wachsen in dem sumpfigen Terrain riesige Mengen an Moltebeeren, die auf dem torfigem Boden ideale Bedingungen finden. Was für ein Festmahl und ein kleiner Trost dazu für den mißlungenen Abschluss einer insgesamt doch sehr beeindruckenden Tour durch eine grandiose Wildnis. Über Nacht schneit es weit hinunter und die überzuckerten Gipfel setzen winterliche Akzente in das noch grüne Landschaftsbild. Die Querung des Storelva gelingt trotz erhöhten Wasserstands ohne Probleme. Nach einigen Stunden erreiche ich die Straße, die Häuser von Tomaslia und schließlich den winzigen Bahnhof in Majavatn. Der Mittagszug bringt weiter nordwärts, nach Mo i Rana, wo ich eine Tour ins Saltfjellet anschließen möchte. Dort angekommen, gehe ich zur Touristinfo. Der Mann an der Theke versucht geduldig ein Quartier aufzutreiben, doch es gibt im gesamten Stadtgebiet keine für mich bezahlbare Unterkunft. Die wenigen Pensionen sind ausgebucht und für ein Hotelzimmer müsste ich Minimum 1.200 Kronen, also 140 Euro die Nacht hinblättern. Per Internet erfahre ich, dass die Wetteraussichten für die Region katastrophal sind. Für die nächsten Tage sind Dauerregen und im Gebirge sogar Schneefälle vorhergesagt. Keine optimalen Startbedingungen für eine Tour. Meine Stimmung ist gedämpft. Also fahre ich erst einmal weiter nach Bodø und beziehe dort ein kleines "günstiges" Zimmer (450 Kronen) in einer Pension. Am nächsten Tag checke ich per Internet und Tageszeitung die Wetteraussichten. Keine Besserung in Sicht! Schweren Herzens buche ich meinen Flug um und trete am nächsten Morgen die Rückreise an. Was bleibt sind unvergessliche Eindrücke einer grandiosen, wilden Naturlandschaft und der Wunsch nach einer Wiederkehr in die weiten Täler und gletscherbedeckten Berge des Børgefjell.
Flucht vor Sturm und sintflutartigen Regenfällen in die gemütliche Jengelhytta. Die anwesenden Bewohner waren sichtbar weniger begeistert. Am nächsten Tag sah das Wetter wieder besser aus. Hier am Jengelvatnet. Am Storelva fand ich einen schönen Zeltplatz mit einem ergiebigem Moltebeerfeld in der Nähe Das Beste, was die Natur für Gourmets (wie mich) zu bieten hat. Entschluss zur vorzeitigen Abreise in Anbetracht der schlechten Großwetterlage. Der letzte Tag in Bodø. Abendstimmung in Bodø mit Blick auf die vorgelagerten Inseln.