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Etappe 1: Majavatn - Jengelvatnet
Die Sonne blinzelt noch vorsichtig durch einen fast bedeckten Himmel. Doch zusehens lösen sich die Wolken auf. Ideale Startbedingungen für meine Tour durchs Børgefjell. Ich möchte mein Quartier bezahlen und dann so schnell als möglich aufbrechen. Doch am Motel stehe ich vor verschlossenen Türen. Von 8 bis 23 Uhr geöffnet steht auf dem Schild. Die Uhr zeigt aber bereits 9 Uhr morgens. Da bewegt sich eine Gardine im Erdgeschoss. Energisch klopfe ich gegen die verstaubte Scheibe. Ein vom Schlaf verknittertes Gesicht eines älteren Mannes erscheint. Ein paar Minuten später schließt er auf. 300 Kronen kostet die Übernachtung in der kleinen Hütte neben dem Hauptgebäude. „Den Schlüssel für die Kasse hat ein Freund“, erklärte er achselzuckend als ich ihm zwei 200 Kronenscheine in die Hand drücke. Nach kurzem Zögern lässt er mir 100 Kronen nach. Jetzt aber den Rucksack aufgesetzt und und los gehts. Die Wildnis muss noch ein wenig warten. Denn zunächst geht es ein kurzes Stück an der E6 entlang, die ein schmales Band der Zivilisation durch die einsamen Wälder zieht. Riesige Trucks rauschen mit hoher Geschwindigkeit vorbei. Nach einigen Minuten biege ich in den Schotterweg nach Tomaslia ein. Nach und nach bleibt der Autolärm zurück. Es kehrt Stille ein. Dichter Wald, weitläufige Sumpfgebiete, kleine Ferienhäuser aus Holz am Wegrand.  Wie gut, dass ich gestern Abend bei meiner Ankunft in der kleinen Hütte am Motel genächtigt habe. Schwerlich hätte ich hier einen passablen Platz zum Zelten gefunden. Was mich wohl im Børgefjell erwartet? Schließlich verläuft ein Großteil meiner Tour im weglosen Gelände. Angst oder Bedenken habe ich keine. Und nach acht Lapplandwanderungen auf markierten Pfaden ist gegen ein wenig abenteuerliche Atmoshpäre nichts einzuwenden. Zwei Tage vorher war ich mit dem Flugzeug von München kommend in Trondheim gelandet. Der Flughafen liegt gut 40 Kilometer außerhalb der Stadt. Für das günstigste Zimmer in Flughafennähe hätte ich 120 Euro hinblättern müssen. Absurd!! Also fahre ich am Abend per Zug schon mal ein Stück gen Norden. Bis Steinkjer. Eine am Meer gelegene schmucklose Kleinstadt. Am Campingplatz, etwa 2 Kilometer außerhalb, verbringe ich die Nacht. Ständig dröhnt von irgendwoher Rock- und Hip-Hop-Musik, schlagen Autotüren. Vor wohnungsähnlichen Caravans hocken Dauercamper. Dazu ich in meinem kleinen Zelt in einer gepflegten Wiese, innerlich schon auf Wildnis eingestellt. Das passt nicht. Nach einem nachmittäglichen Gewitterregen packe ich am nächsten Tag kurzentschlossen zusammen und nehme den Nachmittagszug nach Majavatn. Mit einer geschlagenen Stunde Verspätung komme ich gegen halb zehn Uhr Abend an. Signalstörungen. Dazu empfängt mich in der einbrechenden Dunkelheit ein heftiger Regenschauer. Prima! Eigentlich wollte ich noch Richtung Tomaslia laufen und mir einen Zeltplatz für die Nacht suchen. Das kann ich abhaken. Das Wartezimmer der Bahnstation macht einen gemütlichen Eindruck. Da die Station von einem Wärter besetzt ist, traue ich mich aber nicht, meine Matte auszurollen. Also laufe ich ohne Plan los. Gleich hinter dem Bahnhofsgebäude stosse ich zu meiner Erleichterung auf ein Motel. Freie Zimmer gibt es keine mehr, doch stehen ein paar kleine rote Holzhütten nebenan zur Vermietung. Eine ist noch frei. 300 Kronen die Nacht, also knapp 40 Euro. Ich zögere keine Sekunde und bleibe die Nacht. Die nächsten vier Kilometer laufe ich auf einem langweiligen Schotterweg bis Tomaslia. Der Ort ist eigentlich keiner und besteht nur aus ein paar bunten Holzhäusern, die leblos und verstreut im weiten Tal unweit des Sees Tomasvatnet liegen. Noch eine kleine Steigung und dann biege ich erwartungsvoll in den schmalen Pfad des Jengelvegen ein. Unmarkiert, doch gut erkennbar führt der Steig im dichten Mischwald zwischen Fichten und Birken gemächlich bergwärts. Der Regen der letzten Tage hat den Weg deutlich aufgeweicht und tiefe Pfützen sowie schlammige Abschnitte hinterlassen. Neu angelegte Wegabschnitte sollen besonders sumpfige Passagen umgehen, was aber selten wirklich gelingt. Mir kommt es vor, als würde ich ständig im Schlamm laufen. Trotzdem genieße ich jeden Schritt. Sauge die frische, erdige Luft ein, lausche freudig den Vogelstimmen, nehme dankbar die Stille wahr. Nach zwei Stunden erreiche ich die Waldgrenze. Der Blick öffnet sich. Im Osten liegt tiefblau der Store Majavatnet, dahinter die grauen Gebirgszüge des Kappfjellets. Auf dem folgenden Bergrücken weist ein Holzschild zu einer etwa einen Kilometer entfernt liegenden Brücke über den Storelva. Eine sinnvolle Variante zum Jengelvegen? Die Querung des Storelva ist selbst nach den Regenfällen der letzten Tage völlig unkritisch. Bis knapp über die Knie reicht das mäßig strömende Wasser. Allerdings ist es saukalt. Es dauert einige Minuten bis ich den breiten Flusslauf durchquert habe und die steile Böschung auf der anderen Uferseite erklimme. Meine Beine sind total gefühllos. Der Pfad bis zum Orrekvatnet ist wieder eine einzige Schlammschlacht. Ständig sinke ich tief in den zähen Morast ein. In der zergliederten Moränenlandschaft geht es zudem ständig auf und ab. Niedriger Birkenwald und Weidengestüpp erschweren das Vorankommen. Mit 26 Kilo auf dem Rücken kein sonderliches Vergnügen. Endlich bleiben die Sträucher zurück und das Terrain hinter dem Orrekvatnet wird zunehmend trockener. Ich überlege, mein Zelt an den ebenen Wiesenflächen des Ostufers aufzuschlagen. Doch ich habe keine Lust schon am frühen Nachmittag Quartier zu beziehen. Es wäre besser gewesen, denn eine Stunde später erwischt mich ein langer und heftiger Regenguss. An einigen kleinen Seen stelle ich den Rucksack ab und suche das hügelige Gelände nach einem ebenen Zeltplatz ab. Der Boden ist entweder zu sumpfig oder heftig aufgeworfen. Es hilft nichts. Rucksack auf und weiterlaufen. Endlich, am Ufer des letzten Sees vor dem Abstieg zum Jengelvatnet, entdecke ich eine ebene Stelle. In einer Regenpause schlage ich schnell mein Zelt auf. Wenig später rauscht schon der nächste Schauer heran. In dem glasklaren See wasche ich mich und genieße das tolle Köpergefühl. Es soll Hiker geben, die wochenlang ohne Körperwäsche auf Tour sind. Nichts für mich. Ich freue mich nach jeder Wanderung auf die Erfrischung im klaren Wasser eines Sees oder Baches. Und das bei fast jedem Wetter. Freilich für ausgiebige Schwimmrunden ist es (mir) meist zu kalt.   Die Seen erwärmen sich nur in Schönwetterperioden, und das maximal auf kühle 12 bis 14 Grad. Meist liegen die Wassertemperaturen deutlich unter 10 Grad. Alles Gewohnheitssache. Eine heiße Dusche vermisse ich schon einige Tage später nicht mehr. Zum Abendessen koche ich auf dem kleinen Primus-Gaskocher eine große Portion Spagetti. Dazu gibt es eine leckere Pesto Genovese, angerührt mit griechischem Olivenöl höchster Qualität. Auf überteuerte Trekkingkost einschlägiger Anbieter kann ich getrost verzichten. Mir genügen zum Abendessen Nudeln oder Kartoffelbrei. Abwechslung auf dem Speiseplan muss aber sein. In bewaldeten Gebieten sammle ich Pilze. Rotkappen, Stein- und Birkenpilze wachsen einem stellenweise fast in den Mund. Um meinen Speiseplan zu erweitern, sollte ich vielleicht doch wieder eine Angel mitnehmen. Die Gewässer im Børgefjell gelten unter den Petrijüngern als wahres Anglerparadies. Obwohl ich diesbezüglich - sehr zum Leidwesen meines Vaters, der sich keine Gelegenheit zum Angeln entgehen lässt - keine ausgeprägten Ambitionen hege, fände ich es einfach entspannend während der Tour am Abend oder an Pausentagen ein wenig zu fischen. Es mutet schon ein wenig seltsam an, durch eine derart fischreiche Gegend ohne Angelausrüstung zu laufen. Nach einem ausgiebigen Streifzug durch die nähere Umgebung krieche ich zufrieden in meinen kuscheligen Schlafsack. Wenig später gleite ich in einen tiefen Schlaf. Nur das sanfte Trommeln eines Regenschauers auf dem Zeltdach weckt mich in der Nacht für einen Augenblick.  Am nächsten Morgen klopft der Regen immer noch aufs Zeltdach. Ich ziehe den Reißverschluss auf. An den Berghängen kleben Regenwolken, alles ist grau in grau. Noch eine Runde Schlaf! Auch nach dem zweiten Erwachen ist das Wetter nicht besser. Kein Problem. Verbringe ich einen Tag im Zelt. Zu den Freaks, die ihre Tour bei jedem Wetter durchziehen, zähle ich mich nicht (mehr). Wenn es sein muss, laufe ich natürlich auch durch Sturm und Regen. Aber nur wenn es wirklich sein muss. Sportliche Leistung ist für mich zweitrangig. Ich zähle nicht die Kilometer, nicht die Stunden. Ich schreibe ein wenig Tagebuch, höre Musik, ein Hörbuch auf dem kleinen MP3-Player, lerne Norwegisch, laufe am Nachmittag noch ein wenig im Regen umher, relaxe. Das Barometer steigt seit heute Morgen kräftig an. Berechtigte Hoffnung auf besseres Wetter? Meine Stimmung ist prächtig.
Majavatn liegt etwa 250 Kilometer nördlich von Trondheim.an der E6 und besteht aus einer handvoll Häuser. Über eine etwa 4 Kilometer lange eintönige Schotterpiste geht es von Majavatn nach Tomaslia. Wer mit dem PKW anreist kann hier parken Etwa einen Kilometer hinter Tomaslia zweigt der ausgeschilderte Jengelvegen von der Schotterpiste ab. Er bringt einen an den Rand des Børgefjell Nationalparks Gemächlich steigt der Jengelvegen zunächst durch Nadel- und dann durch Birkenwald an. Bevor es zum Storelava hinunter geht, hat man einen herrlichen Blick auf den Store Majavatnet. Zeltplatz am Ufer eines kleinen Sees vor dem Abstieg zum Jengelvatnet. Die Durchquerung des Storelva ist bei normalen Pegel unschwierig. Wer will, nimmt die Brücke einen Kilometer flussabwärts. Der Jengelvegen ist bei nasser Witterung sehr morastig. Besonders anstrengend ist der durch Birkenwald verlaufende Abschnitt vom Storelva bis zum Orrekvatnet. Der Orrekvatnet liegt idyllisch eingebettet zwischen den steil aufragenden Bergen des Sklett- und Bleikarfjellets. Am Ostufer liegen schöne Zeltplätze in einer Wiese.